Ich esse Sushi am liebsten mit Sojasauce und viel, viel Wasabi, bis man weint. Unterschiedlicher können Nerven nicht in einem Moment wahrgenommen und empfunden sein. Oder? Ein Fluch und ein Segen. Oder ein Fluch oder Segen?
Im Buch "Sind Sie hochsensibel?" von der kalifornischen Psychologin Elaine Aron, gibt es den Begriff der "HSP – Highly Sensitive Person" und die Erklärung, der damit einhergehenden, Temperaments- und Wahrnehmungszüge jener. Meinen Sensibelchen-Status, den ich jahrzehntelang für eine ganz persönliche Schwäche hielt, haben andere offenbar auch und nicht nur das. Laut Diplompsychologin Sandra Konrad sind etwa 31 % aller Menschen hochsensibel. Und nun? Hochsensibilität und Hochsensitivität sind zwei unterschiedliche Dinge. Das eine ist mit Sojasauce, das andere mit Wasabi. Beides zusammen ist mein Fall. Und wem das nicht schmeckt. Der gibt dem Ganzen eine Bewertung. Manches Mal gar ungefragt. Dann bist du zu laut, zu sensibel, zu schwach, zu betrunken, zu wild, zu bunt und zu aggressiv? Vermeintlich falsch?
Wessen Meinung zählt, und wem erlaubst du, dich zu bewerten? Bist du noch normal oder wie hoch muss ein Prozentsatz sein, dass du dich wenigstens „okay“ fühlst? Denn etwa 31 % aller Menschen sind hochsensibel. Aber was genau bedeutet das? Schonmal jemandem damit über den Weg gelaufen?
Hochsensibilität ist keine Schwäche oder Krankheit, sondern eine Temperamentseinstellung. Erlebte Höhepunkte sind höher, Freude gellender, Schönes ergreifender, Tiefpunkte wesentlich dramatischer. Wir sind empathisch und haben ein sehr feines Gespür für Stimmungen. Wir können andere Menschen faktisch fühlen und ihnen manches Mal geben, was sie brauchen, noch bevor sie selbst wissen, was ihnen fehlt. Sie können sich aber oft auch nehmen, was sie wollen, weil unsere Grenzen weicher sind. Wir sind kompliziert und unkompliziert zugleich. Wir wirken wie emotionales Wasabi und marschieren dabei auf einer Gratwanderung zwischen feinfühlig und überempfindlich. Beispielsweise liebe ich es, wenn man mir gut zuspricht und mich unterstützt, und ich hasse es, wenn man mir das Recht absprechen will, so zu fühlen, wie ich fühle. Ja, hassen. Bewertungen in jeder Hinsicht spüre und empfinde ich als unendliche Liebe oder grob fahrlässige Gewalt. Also und aber, was heißt "zu" sensibel? Für Brutalität, Grobheiten und Ungerechtigkeiten? Als hochsensibler Mensch muss man seine Grenzen unbedingt vor diesen Dingen schützen, aber auch unbedingt daran arbeiten, diese für andere Dinge zu erweitern. Das geht mit Coaching Tools und es lohnt sich. Manche Dinge sind nämlich einfach zu krass, um sie aus Angst vor Überforderung und -empfindung nicht zu tun – ein Kind zu kriegen etwa. Oder Achterbahn fahren.
Ganz früher wäre ich wahrscheinlich als Seherin, Heilerin oder Hexe, auch mit weniger rotem Haar, genau damit, mit Hochsensibilität und -sensitivität, erfolgreich tätig gewesen. Ich bin ohnehin in der Walpurgisnacht geboren. Heute allerdings, werden ungern Menschen angestellt, die sich anstellen. Auf keinen Fall dürfen sie heulen und please no drama - please. Rückzug für solche Momente wiederum, gibt es in heute coolen Großraumbüros tatsächlich gar nicht. Ich habe neulich noch in einem gearbeitet, - es war mega und hat mich gleichzeitig irre gemacht. Dauernd knallende Schritte, sämtliche Gespräche der Kollegen mithörend, sich nirgends, durch wiederum nichts, abgrenzen könnend oder außer auf dem Klo eine Türe zumachen könnend, wo es auch noch nach Zitrone und Lotus stinkt. Denn wir riechen auch noch intensiver.
Was ich dich fragen will?
Wem du das Recht gibst, dich zu bewerten.
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