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Der Chef, mein Bruder und meine Schwestern

Rollen, Muster, Projektionen: Warum ich meine Brüder, Schwestern und Eltern manchmal im Job wiederfinde – und wie ich mich daraus befreie, wenn ich will.


Wir spielen Rollen. Manche bewusst, viele unbewusst. Einige davon haben wir uns ausgesucht, andere wurden uns übergestülpt. Und manchmal leben wir Geschichten weiter, die gar nicht unsere eigenen sind. Wer aus einer Großfamilie kommt, weiß: Rollen sind nicht verhandelbar. Sie entstehen. Mit Glück bleibt man für immer „das Kino“ – selbst wenn man längst Vorstand ist.


Als viertes von sechs Kindern habe ich früh gelernt, mich in Konstellationen zu bewegen. Wer spricht, wer schweigt, wer sorgt, wer rebelliert? Und ohne es bewusst zu merken, habe ich mir im Job, in Freundschaften und in Beziehungen „meine Leute“ gesucht: Brüder, Schwestern, meinen Vater. Es ist, als hätte mein Unterbewusstsein eine Landkarte, die es ständig abgleicht und scannt. Ich kann heute noch auf einem beruflichen Event stehen und muss grinsen, weil ich genau spüre: Hier sind sie wieder – meine Brüder, Schwestern und Cousinen.


Aber warum ist das eigentlich so? Warum wiederholen wir unbewusst Muster?


Wir lernen Rollen früh – sehr früh. Schon als Kinder spüren wir intuitiv, was ein System von uns erwartet. Familien sind kleine, hochdynamische Systeme. Damit sie „funktionieren“, übernimmt jeder eine Aufgabe: der Clown, die Streitschlichterin, der Rebell, das Sorgenkind, der Unsichtbare. Diese Rollen sind keine Zufälle – sie entstehen, weil wir Bindung, Zugehörigkeit und Sicherheit brauchen. Und weil wir gelernt haben: So, genau so, bin ich wichtig, richtig und geliebt. So bekomme ich Zuwendung. So werde ich gesehen.


Das Problem: Was uns früher geschützt hat, wird später oft zum Stolperstein. Die Rolle, die im Familiensystem sinnvoll war, passt nicht unbedingt ins Erwachsenenleben – oder in den Job. Doch unser Unterbewusstsein hält an diesen alten Drehbüchern fest. Denn sie sind vertraut. Sie geben Sicherheit, selbst wenn sie uns klein halten, stressen oder erschöpfen. Die Systemische Psychologie nennt das „Loyalitäten“: Wir bleiben unbewusst loyal zu unseren Herkunftsmustern, selbst wenn wir längst andere sein könnten. Und genau deshalb begegnen uns in neuen Kontexten – im Beruf, in Freundschaften, in Partnerschaften – oft alte Rollenbilder, die wir von früher kennen.


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Auch andere begegnen uns mit ihren eigenen inneren Rollenbildern. Sie suchen in uns die Mutter, die Schwester, den Retter, den ewigen Widerständler, die Partybuchse. Manchmal merken wir das nur vage: Warum reagiere ich so stark auf Kollegin X? Warum triggert mich Chef Y? Warum fühle ich mich plötzlich wieder wie 12? Das sind Projektionen – unbewusste Übertragungen alter Geschichten auf aktuelle Beziehungen.


Das Gute ist: Muster und Rollen sind keine Gefängnisse. Aber sie brauchen Bewusstheit, um sich zu verändern. Schau dir deinen Film genau an. Welche Rollen sind da. Wer erinnert mich hier an wen? Woher kenne ich dieses Gefühl? Welche Rolle spiele ich gerade jetzt auf diesem Event – freiwillig oder unfreiwillig? Und dann: Ja oder Nein sagen. Grenzen setzen. Ich darf aussteigen aus einer Rolle, die mir nicht mehr passt. Ich darf neue Rollen ausprobieren. Neu. Immer wieder. Spiel doch!


Und du?

Welche Rolle spielst du?


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